DER PARK
Der Landschaftsarchitekt Michel Corajoud arbeitete zusammen mit Renzo Piano an den Entwürfen für Kloster und Empfangsgebäude und plante die Erneuerung der Grünflächen bei der Kapelle.
Corajoud baute die Planung für den Park auf einer einfachen aber zwingenden Grundlage auf:
Le Corbusier reagierte mit seinen Gebäuden auf ihre Umgebung, vom Hügel, auf dem die Kapelle steht, bis zum Horizont. Sein Werk tritt in einen Dialog mit der Landschaft. Corajoud setzte sich mit den Ideen des Meisters auseinander: «ein Echo der Landschaft», «ein Echo im Reich der Formen».
MICHEL CORAJOUD KOMMT NACH RONCHAMP
Bevor sie sich mit dem architektonischen Entwurf beschäftigten, kamen Michel Corajoud und José Taborda nach Ronchamp, um die Aussicht nach Norden, Osten und Süden zu studieren.
Sie verglichen den aktuellen Zustand mit einer Skizze André Maisonniers vom 30. Juni 1959. Maisonnier hatte die Anweisungen Le Corbusiers zur Landschaftspflege festgehalten. Auf der Kuppe des bewaldeten Hügels sollen Blickachsen in die Landschaft freigehalten werden.
Allerdings betrafen die Angaben nur den sehr begrenzten Bereich, der den Eigentümern der Kapelle damals gehörte. Trotzdem war dieses Dokument für die Planung wertvoll, weil es sowohl die gewünschten Blickschneisen als auch den zu erhaltenden Wald und einzelne Baumgruppen beschreibt. Die Vegetation soll den Blick aus der Ferne auf die wichtigen Teile der Kapelle lenken.
Nach Le Corbusiers Anweisungen soll der Blick nach Norden frei sein, die alten Kirschbäume jedoch erhalten werden (sie mußten inzwischen ersetzt werden). Bei der Pyramide ist die Aussicht zu den Belchen (Ballons d’Alsace) wichtig, beim Pilgerhaus der Blick in den Ort und in Richtung der burgundischen Pforte.
DER ENTWURF
Die Anweisungen für das damalige Grundstück in der Skizze von Maisonnier wurden in den Entwurf übernommen. Seit dem Bau der Kapelle konnten weitere Grundstücke erworben werden, für die Le Corbusier keine Anweisungen gegeben hatte. Über die ehemalige Weide am Westhang hatte sich im Lauf der Jahre der Wald ausgebreitet.
Corajouds Planung umfaßt die ganze Umgebung der Kapelle. Am Nordhang wurde der Japanische Staudenknöterich, eine extrem invasive Pflanze, entfernt, die Aussicht nach Norden wird nun freigehalten. Nach Osten müssen Nadelbäume in Zaum gehalten werden, nach Süden die schnellwachsenden Robinien. Die Bäume beim Haus des Kaplans verhindern den Blick auf die Landschaft des Faltenjuras am Horizont. Auch in diese Richtung sollte die Aussicht wieder frei werden.
Außer der vorhandenen Vegetation auf dem ursprünglichen Gelände und den Aufzeichnungen Maisonniers betrachtete Corajoud auch den Westhang. Hier entstand das Kloster, in direkter Nachbarschaft des Geländes, für das Maisonnier Le Corbusiers Anweisungen notiert hatte. Die Aussicht nach Westen über die damalige Weide sollte über das Grasdach des Klosters hinweg wieder möglich werden. Die Blickbeziehung zum Tal der Saône, wie sie Le Corbusier kannte, wurde wiederhergestellt.
Schon in den ersten Skizzen für das Kloster erkennt man, daß das Licht und die durch das Licht erzeugte Stimmung in Renzo Pianos Entwurf eine grundlegende Bedeutung hat. Es ist nicht das spektakuläre und vielfältige Licht der nahen Kapelle, sondern das gefilterte Licht unter den Baumkronen eines Waldes. Das Büro von Michel Corajoud faßte dieses Licht in ein Bild, das bei der Arbeit an den Entwürfen immer präsent ist: die Stimmung in einem lichten Wald, zwischen dessen Kronen die Sonne aufs Unterholz scheint und einen ständigen Wechsel von Licht und Schatten erzeugt.
An diesem Bild orientiert sich die Arbeit von Michel Corajoud und José Taborda. Es gilt, die Stimmung unter dem Laubdach und Durchblicke in die Landschaft in Einklang zu bringen. Nebenbei mußten sie Pianos Wunsch, möglichst viele Bäume zu erhalten, berücksichtigen.
Der nächste Schritt war die Beurteilung des Zustands aller Bäume durch den Baumwirt Claude Guinaudeau. Die schönsten Bäume wurden erhalten, die weniger wertvollen mußten dem Neubau des Klosters weichen. Nach den Bauarbeiten mußte das Laubdach neu geschaffen werden – Rekonstruktion einer Landschaft.
Corajoud ließ hochwachsende Bäume ohne Unterholz pflanzen, um den Blick in die Landschaft nicht zu stören. Der Höhenunterschied läßt die Aussicht von der Kapelle aus ungehindert zu. Wahrnehmbar sind nur die horizontalen Betonbänder, an denen man erkennt, wo die Gebäude in den Hang eingeschoben sind. Mit der Zeit wird der Bewuchs dichter werden und die angestrebte Lichtstimmung schaffen.
Der Pflanzplan richtet sich nach der Grundidee der Planung, ein dichtes Blätterdach für das Kloster und die Porterie zu schaffen und gleichzeitig die Aussicht ins Tal der Saône zu erhalten. Die Bäume wurden nicht auf einmal, sondern nach und nach gepflanzt. So konnte man immer wieder prüfen, ob die gewünschte Stimmung im Lauf der Zeit entstehen wird.
Für den Wald wurden Baumarten gewählt, die in der Franche-Comté heimisch sind: Eichen, Rotbuchen, Eschen, Hainbuchen, Edelkastanien und Linden und einige Obstbäume. Auch in den Lücken der alten Obstgärten wurden neue Obstbäume gepflanzt.
Den Weg vom Empfangsgebäude zur Kapelle wollte Corajoud im Stil des Kreuzwegs, der vom Friedhof auf den Hügel führt, gestalten. Der Kreuzweg ist ein sehr schöner Pfad durch den Wald, der zunächst etwas schwierig zu begehen ist, weiter oben aber bequemer wird. Die schwierige Passage wurde inzwischen in ehrenamtlicher Arbeit von Jugendlichen ausgebaut.
Wenn man am Ende des Kreuzwegs aus dem Wald tritt, sieht man die Kapelle in der Mitte einer riesigen Lichtung auftauchen. Michel Corajoud schlug vor, den Weg ab dem Waldrand als Grasweg, stabilisiert durch Rasengitter, zu verlängern. Der Kreuzweg würde dann in den «Hohlweg über die rötliche Erde des Hügels» (Le Corbusier) übergehen.
Der Hohlweg zwischen dem Parkplatz und der Kapelle ist asphaltiert, da er auch als Zufahrt zur Kapelle dient. Corajoud wollte den durchgehenden Belag entfernen und nur zwei Fahrspuren anlegen lassen, zwischen denen der Grasweg fortgeführt wird. Damit würde er den Waldweg gestalterisch fortführen und gleichzeitig die notwendige Zufahrt zur Kapelle sicherstellen.
Das Empfangsgebäude wurde nach Westen verschoben, dadurch wurde der Abstand zum Weg größer. Auch der Parkplatz wurde nach Westen verlegt und liegt nun in der Verlängerung der Straße, die vom Ort auf den Hügel führt.
Für die Erneuerung des Wegs in unmittelbarer Nähe der Kapelle gibt es noch keinen überzeugenden Vorschlag. Die Planung erfordert große Sorgfalt: die Sicherheit der Besucher und die vorhandene Vegetation müssen berücksichtigt werden, vor allem aber der Blick vom Weg auf die Kapelle.
Der Weg zum Kloster wurde nach Corajouds Vorschlag ausgeführt. Zwei schmale Betonbänder erlauben die Zufahrt mit Fahrzeugen, dazwischen wächst Gras. So fügt er sich unauffällig in die Grünfläche vor dem oberen Niveau des Klosters ein.
Die Informationen über die Arbeit von Michel Corajoud stützen sich auf seine Zeichnungen zum Bauantrag von 2008, vor allem aber auf die Gespräche bei den Baustellenterminen und seinem Besuch vor der Präsentation des Projekts in der Cité d’Architecture in Paris im Juni 2008. Mit seinem Büropartner José Taborda war er nach Ronchamp gekommen, um Fotos für die Präsentation zu machen. Er stellte viele Fragen zur Entwicklung der Vegetation auf dem Hügel und über die Bäume, die erhalten werden sollten.
Michel Corajoud war ein offener, unkomplizierter und einfühlsamer Mensch. Er arbeitete gerne im Team und entwickelte seine Ideen, indem er laut über den Entwurf nachdachte. Dabei ging er behutsam vor und erwartete Kommentare oder Unterstützung. Bei Besprechungen und vor Publikum war er ein anderer Mensch. Überzeugend und warmherzig, schaffte er es, sein Publikum zu fesseln. Bei seinen Vorträgen überzeugte er mit seiner einfachen und bildreichen Sprache, flüssigem Vortrag und einer präzisen Ausdrucksweise.